Frau Dünnhaut und Frau Blaublut

Sehen Sie sie? Da! Die beiden Damen. Am Fenster. Die Arme am Fensterbrett auf weiche Kissen aufgelegt, die Schultern von wärmenden Schaltüchern, selbstgehäkelt, umhüllt stehen sie und beobachten das bunte Treiben auf der Straße.
Viel ist los in jenen kalten Frühlingstagen. Vieles, worüber man reden, sich aufregen, sich echauffieren, sich einmischen könnte.
Die beiden Damen aber schweigen.
Sie schweigen lange.
“Ich mag sie nicht, diese kollektive Hatz!”, sagt Frau Dünnhaut schließlich leise.
“Jenes kollektive Schweigen, ist es besser?”, entgegnet Frau Blaublut, im Flüsterton fast.
“Beides hat seine Berechtigkeit.”
“Und jedes Ding seine zwei Seiten.”
Die Damen sehen sich an, betreten, aufgewühlt, ein bisschen durcheinander.
“Mir ist kalt”, murmelt Frau Blaublut schließlich, noch leiser. “Die Luft, sie ist so eisig.
“Dir ist immer kalt, meine Beste”, brummt Frau Dünnhaut. “Nomen est omen.”
Frau Blaublut nickt. Sie schweigt. Dabei hätte sie so vieles zu sagen.